Josef Winterlik

Der Ursprung der Aquaristik

Es ist zumindest in unserem Verein so, dass viele neue Aquarianer eingetreten sind und sicher daran interessiert sind zu erfahren wie alles begonnen hat.

Es war Naturliebe, Neugier und Geschäftssinn, die diese Liebhaberei entstehen ließen. Der Geschäftssinn ist als letzter dazugekommen als man merkte, dass sich viele Menschen mit dem Aquarium befassen wollten.

Ein Wissenschafter hat einmal gesagt: "Die Aquaristik ist ein ernsthaftes Hobby und eine fröhliche Wissenschaft!"

Und es stimmt: die Aquaristik ist ein besonderes Hobby. Die Tätigkeit mit lebenden Tieren erlaubt keine Nachlässigkeit oder Schlamperei. Jeder "ernsthafte" Aquarianer schaut auf seine Tiere. Schon eine alte Lebensweisheit sagt: "Das Auge des Herrn macht das Vieh fett!".

Zum Unterschied vom bloßen Aquariumbesitzer, der sich schwer tut und daher bald genug hat. Solche Leute sind gut beraten einem Verein beizutreten, um so ihr Wissen zu vertiefen, denn mit dem Erfolg kommt auch die Freude.

Und zu diesem Wissen gehört auch die Entstehung unseres Steckenpferdes:

Wie Archäologen zu deuten wussten, gab es schon im alten Ägypten Fischbehälter, die nicht zur Hälterung von Nutzfischen gedient hatten. Also hat man sich schon damals am Anblick von Fischen ergötzt.

Auch im Aztekenstaat des altmexikanischen Fürsten Montezuma wurden in Tiergärten Fische aus dem See- und Süßwasser zur Beobachtung gehalten.

Also bestand schon in allerfrühesten Zeiten das Interesse, Fische sichtbar in seiner Nähe zu haben.

Die Römer waren es dann, die schon vor mehr als 2000 Jahren Fische gezüchtet haben. Sie vermehrten diese Tiere ausschließlich nur zu Speisezwecken in so genannten "Vivarien". Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, da es doch mit der Aquaristik sehr wenig bis gar nichts zu tun hat. Aber immerhin, es mussten für die Fische damals schon annähernd natürliche Verhältnisse geschaffen werden, um sie zur Vermehrung zu bringen. Also einige Kenntnisse mussten die Römer schon gehabt haben.

Doch wurden aber auch in "Piscinae" (Steinschalen) Fische gehalten, an deren Schönheit und Verhalten sich die Vertreter der herrschenden, römischen Klasse erfreuten.

In China dagegen wurden Fische vor mehr als 1000 Jahren als "Haustiere" gepflegt.

In großen Porzellanbehältern (Reiche hatten Jadeschüsseln), den sog. Drachenkübeln oder im Gartenteich, lebten sie.

Sie wurden als "Himmlische Wunder" bezeichnet und sogar Gedichte hat man über sie geschrieben. Eines, von einem Dichter der Sung-Dynastie, Su Tze Meh, er lebte von 1008-1048 möchte ich zitieren:

Unschlüssig zieh´n sie daher-
Bald dicht zuhauf´, gleich einem Rudel Pferde,
Vor schmalem Hohlweg eingepfercht.
Bald jählings auseinanderstiebend-
Wie auf der Flucht - bald fern, bald nah.
Treibt Furcht sie oder frohe Laune?
Ich weiß es nicht zu deuten.

Es handelte sich nur um eine Art, die Silberkarausche, auch Giebel genannt. Ein sehr hartes Tier, widerstandsfähig und variabel. Denn schon in der Natur traten vereinzelt goldene Exemplare auf. Nun weiß jeder, von welchem Fisch die Rede ist, nämlich vom Goldfisch.

Bevor wir uns aber in das Thema "Goldfisch" versenken, noch ein bisschen Wissenschaftliches.

Die gewöhnliche Karausche (Carassius carassius) ist auch bei uns bestens bekannt, Fischer hassen sie sogar. Sie lebt in ganz Europa bis nach Sibirien. Sie ist hochrückiger als die Giebel, die wiederum karpfenähnlicher ist. Der Giebel oder Silberkarausche fehlt der schwarze Schwanzfleck und sie hat auch einen längeren Darm.

Soviel über den Unterschied zwischen den beiden Exemplaren.

Nun muss man sich vorstellen, und wir sind nun wieder bei den Goldfischen, dass diese umjubelten Tiere, wenn sie so in ihren Behältern vor sich hin lebten (Glas wurde, da zu teuer, damals noch nicht verwendet) nur von oben betrachtet werden konnten.

Und damit begann der Leidensweg des Goldfisches. Von oben betrachtet sehen Fische fast gleich aus, sie bieten also wenig Abwechslung. Nun ging man in China daran, verschiedene Arten herauszuzüchten. 300 Jahre waren nötig um 120 verschiedene Formen von Schleierschwanz zu züchten. Im Gegensatz dazu züchtete man aber auch den Eierfisch, der dafür fast keine Flossen besaß. Den Himmelsgucker, dessen Augen auf Balkonen ruhten und der nur nach oben zum Betrachter blicken konnte. Futter am Boden seines Domizils konnte er nicht mehr finden.

Auch das Blasenauge sollte hier erwähnt werden. Ein Fisch der hinter seinen Augen wassergefüllte Blasen besaß. Die Augen traten dadurch sehr stark hervor und das Tier war extrem gefährdet. Es kam nämlich relativ oft vor, dass so eine Blase brach. Der Fisch musste dann getötet werden, denn die geöffnete Blase brachte sein Gleichgewicht derart durcheinander, dass kein normales Leben mehr gewährleistet war.

Eine Zuchtart von fast unzähligen sei auch erwähnt: der "Schläfer". Ein Goldfisch, der fast ständig am Boden ruhte. Er ist seit 1772 ausgestorben. Alle Meisterzüchter Chinas bemühen sich seitdem, ihn wieder zustande zu bringen. Wozu weiß wahrscheinlich keiner.

Durch Hautwucherungen entstanden der Löwenkopf und der Teleskopfisch. Manche dieser Tiere waren sich schon selbst eine Last. Das bestätigte sogar ein chinesischer Regierungsbericht aus dem Jahr 1339. Und nun wurde vom damaligen Kaiser eine Mäßigung verordnet. Die Zuchten fanden ja vor seinen Augen statt, denn nur er besaß solche Fische. An besondere Würdenträger gab er sie aber als Auszeichnung weiter.

Im Jahr 1691 kamen einige Goldfische (nur normale) nach Portugal und von dort nach ganz Europa. Manche behaupten schon 1611 nach England, aber das ist nicht belegt ( damaliger Regent war Jakob I.). Mme de Pompadour, die Geliebte Ludwigs XV. am Hof von Versailles, besaß als eine der ersten Festlandeuropäer solche Tiere.

Erstaunlich ist, dass erst 1878 die ersten Goldfische nach Amerika gelangten.

1885 kamen erstmals Schleierschwänze nach Berlin (Fa. Matte). Nun wurde auch in Europa die erste eigenständige Goldfischzucht aufgebaut. Die Blütezeit des Goldfisches in Europa war von 1870-1930. Noch heute gibt es große Zuchtanstalten in Italien in der Nähe von Bologna.

Aber auch die Geschichte des Goldfisches hat nur wenig mit unserer heutigen Aquaristik zu tun. Ist doch die Art der Haltung in den Kübeln und vor allem die Zuchtauslese strikt abzulehnen.

Leider gibt es in der heutigen Zeit aber doch ähnliche Auswüchse.

Erst die Mitte des 19. Jahrhunderts brachte die Geburtsstunde der heutigen Aquaristik. Es war eine bewegte Zeit. Die industrielle Revolution hatte begonnen. Die ersten Eisenbahnen wurden gebaut. Darwin, Marx und Engels veröffentlichen ihr Denken. Die Naturwissenschafter überwanden Aberglauben und Mystik. Alles war in einer Entwicklung begriffen. Die bürgerliche Revolution von 1848 hatte offenbar alles wachgerüttelt.

Emil Adolf Roßmäßler hatte sich an dieser Revolution beteiligt und dadurch sein Amt verloren. Er war wahrscheinlich der erste Wissenschafter, der danach durch volkstümliche Vorträge und Schriften seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Er wird auch ständig bei Vorträgen über die Gründung der Volkshochschulen erwähnt.

So erschien unter anderem 1856 in der Zeitschrift "Die Gartenlaube" sein Aufsatz "Der See im Glase". Nun wurden viele aufmerksam und das Aquarium erst richtig bekannt. Auch hielt Roßmäßler seine Vorträge in den ersten Volksbildungsstätten und machte so die Aquaristik populär.

Er gilt also bei uns als der "Erfinder" des Aquariums.

Jedoch waren die einheimischen Pflanzen und niederen Tiere die Hauptbewohner der damaligen Becken. Auf die Fische, so wie heute, kam es damals nicht so an. Die "ganze" Natur wollte man ins Haus nehmen, mit all den Wasserinsekten, Schnecken und Muscheln.

Das weltweit erste öffentlich zugängliche Aquarium wurde 1853 im Londoner Zoo den Besuchern bereit gestellt.

Bald darauf , im Jahr 1860 wurde in Wien die erste Aquarienschau durchgeführt.

Am Michaelerplatz Nr. 2 wurde unter der Leitung von Gustav Jäger ein so genannter Aquarien-Salon eröffnet.

Ab 1861 gab es in Paris ein festes Aquarienhaus.

Roßmäßler veröffentlicht 1868 sein Buch "Das Süßwasseraquarium". Mehrere Auflagen folgen. Sogar Alfred Brehm überarbeitet später weitere Auflagen.

1869 wird das erste öffentliche Aquarium in Berlin seiner Bestimmung übergeben.

Am Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts erfuhr die Aquarienliebhaberei wieder eine tiefgreifende Veränderung.

Ein Franzose brachte 1869 einen unbekannten Fisch aus China mit in seine Heimat. Carbonnier in Paris züchtete bald nach und damit war es geschehen. Jeder wollte solche Fische besizen und die Aquaristik nahm einen ungeheuren Aufschwung in Europa. Unterschied sich dieser Fisch doch deutlich durch seine Farb- und Flossenpracht von unseren einheimischen Arten. Wenn man bedenkt, wie bescheiden gefärbt unsere Fische sind, so war diese Neuerscheinung eine Sensation. Gleich erhielt dieses Tier Namen wie Schönflosser, Paradiesfisch. Es war der uns allen bekannte Labyrinther, der Makropode (Makropodus opercularis). Etwas später kam über Moskau der Kampffisch (Betta splendens) in unsere Becken. Weltreisende brachten von da an immer mehr Fische aus Asien zu uns. Hauptsächlich Labyrinther, da diese Arten die ungeheuren Strapazen ihrer Reise am besten verkraften konnten. Aber auch unglaubliche Geschichten wurden aus dem Morgenland importiert.

So erzählten die Asiaten den Fremdlingen die sich für Fische interessierten, dass gerade die Labyrinther des nachts ihr feuchtes Element verlassen, auf die Bäume klettern um sich dort am süßen Palmwein zu berauschen. Vielleicht wurden diese Märchen erfunden, um den Preis für die Tiere nach oben zu regulieren. Heute wissen wir, dass bestenfalls der Kletterfisch (Anabas testudineus) für kurze Zeit aus dem Wasser steigt.

Von da an wurden richtige Expeditionen zum Fischfang nach Asien geschickt. Aber nicht nur nach Asien, auch Afrika und Südamerika war bald ihr Ziel.

Diese Fangreisen waren damals aber alles andere als romantisch. Richtige Schwerarbeit war zu leisten. Aus dem Tagebuch eines Zierfischfängers der damaligen Zeit ein kleiner Auszug:

"Der Urwald, der "Regenwald", ist es vor allen Dingen, der den größten Reichtum beherbergt - aber welch unendliche Schwierigkeiten bereitet es, diese Schätze zu heben. Wochenlange Fahrten mit dem Flussdampfer, mühsames Vordringen in die entlegensten Stromgebiete mit Motorboot oder Kanu, über Untiefen und Stromschnellen, durchnässt vom tropischen Sturz-regen, schweißtriefend und fiebergeschüttelt, ständig bedroht von Krokodilen und Wasserhyänen (Piranhas), von Raubzügen alles vernichtender Ameisen, stechenden und beißenden Insekten, von Giftschlangen und Indianergiftpfeilen - so sieht die Arbeit des Fischsammlers bei genauer Betrachtung aus."

Und mancher hat dort sein Leben beendet. Er war für seine Liebhaberei oder auch seinen Geschäftssinn gestorben.

Heute gelangen nicht mehr so oft richtige Wildfänge zu uns. Sei es aus politischen Gründen oder weil es bequemer ist, sie z.B. in halbierten Ölfässern in Asien zu züchten. Zierfische, ursprünglich in ganz anderen Erdteilen beheimatet, werden in den asiatischen Zuchtanstalten "erzeugt" und wir können sie anhand Versandlisten bestellen.

Viel wird sich in der Aquaristik nicht mehr verändern, höchstens auf technischem Gebiet. Wir kennen alle Fische (außer den Kreuzungen mancher Arten), es schwimmt aber nur ein Bruchteil der Vielzahl an Arten in unseren Becken, doch diese werden mit viel Geduld und Liebe gepflegt.

Wir wissen, viele interessieren sich für das Hobby "Aquarium", aber nur wenige wollen sich aneignen, was dahintersteckt. Doch kann es nur so funktionieren, vor allem zum Wohl unserer Pfleglinge.

Ein richtiger Tierliebhaber oder Aquarianer sollte sich auch nicht gleich mit kostbaren, schwer zu haltenden Tieren befassen, denn durch Rückschläge ist bald die Freude vorbei. Es heißt also auch hier wie auf vielen Gebieten des Lebens: Klein muss man anfangen!